Wacken - rain or shine

Rain or shine, das ist das Motto von Wacken (neben faster, harder, louder), und zumindest vom Regen haben wir in diesem Jahr wirklich üppig eingeschenkt bekommen. Aber lassen wir mal Matschteiche und Weltuntergang beiseite... Wie ist es, als Autorin beim größten Metal-Festival der Welt dabei zu sein? Saugut, sag ich nur, richtig klasse!

 

Was kann mehr neue Inspiration bieten als dieser riesige Haufen unterschiedlichster Menschen, der sich in Liegestühlen vor der Kinoleinwand sonnt, durch stiefelhohen Matsch über den Platz kämpft, zur Feuerwehrkapelle von Wacken genauso enthusiastisch abrockt wie zu Saxon, Napalm Death, Machine Head und den Scorpions? (Die müssen übrigens den Zorn von Thor persönlich hervorgerufen haben, so wie bei ihrem Auftritt am Samstagabend der Himmel nochmal seine Schleusen öffnete, die Blitze zuckten, und die Windböen an den Absperrungen rüttelten!!!) Dann sind da noch die Stampfer, Headbanger und Moscher vor der Bühne, die Crowdsurfer obendrüber, unermüdlich, manchmal der gleiche Kerl sechsmal während eines Konzerts - wie kommt der immer wieder nach hinten, um sich dann wieder nach vorne in den Graben spülen zu lassen??? Es gibt Umarmer, die sich vorher in der Matschkuhle gewälzt haben, und nur mit der Gabe eines Bieres von ihrer Tätigkeit abhalten lassen. Es gibt Leute, die den altbekannten Schnee-Engel kurzerhand in einen matsch-Engel umwandeln, es gibt kreative Fußgewänder aus Müllsäcken, Einkaufstüten, oder Schuheinlagen aus Gefrierbeuteln. Es gibt musikalische Entdeckungen, Spaßbands ohne Gnade, großartige Acts, die durch ihr Wacken-Sonderprogramm noch einen draufsetzen. Dimmu Borgir mit Symphonieorchester, Sepultura mit Riesen-Percussiongruppe hintendran, meine persönlichen Favoriten Volbeat mit Gastmusikern ihrer Lieblingsbands, die den Sound so richtig schön abrunden. Es gibt neue Bands, die zum ersten Mal in Wacken sind und Releaseparty feiern, wie meine Freunde von Volksmetal, zu deren Gig ich wenigstens einmal extra im Dirndl aufgeschlagen bin. Es gibt Überraschungen bei Bands, die man schon kennt: Oomph! nicht in schwarz sondern im blütenweißen Seemannslook? Die Songs über Seemannsrosen sind nicht ganz so blütenweiß, aber die Show hat die erwartete Energie und Spielfreude. Es gibt Unterhaltungen, irgendwo, irgendwann auf dem Platz: Der Rockfan der ersten Stunde, der wie Mitte 50 aussieht, 68 ist, und seinen Zeitungsausschitt übers Feiern mit den Stones vor 50 Jahren im Portemonnaie hat. Die Gruppe Jungs im Armeezelt mit Feldbetten, die großzügig ihr Bier und ihre Geschichten teilen, und sogar ihre Lederjacken, als es kalt wird, in der Wackennacht. Das Ehepaar aus der Gegend beim Kaffeestand, und er möchte langsam nach Hause, aber sie möchte sich weiter über den Bodensee austauschen, denn sie war erst kurz zuvor dort, auf Pilgerreise mit dem Fahrrad in drei Wochen vom hohen Norden bis zur Insel Reichenau! Und dann Metal, die perfekte Balance!

 

Es gibt nette Begegnungen im Kleintierzirkus des Metal Markt Zeltes, wo auch ich am Samstagnachmittag mit meiner Lesung aus Sex, Zeitreisen und Rock'n'Roll dran bin: Die Incredible Blood Brothers, zwei Briten die sich Nägel in die Nasenlöcher hämmern, Rasierklingen schlucken und wieder auskotzen, und Ziegelsteine auf den Bäuchen zertrümmern. Und mir später auch ein paar schicke Müllsack-Stiefelüberziehen zurecht basteln. Danke, Blood Brothers. Oder Simon Bamford, den Schauspieler aus Hellraiser, der Autogramme auf Hochglanz Film Stills schreibt, und einem Fan seinen Backstage Pass schenkt, damit der auch eine Runde hinter die Kulissen schauen kann. 

 

Es gibt den Bereich hinter den Kulissen, wo das Pressezelt steht, Tim Mälzer für das Catering verantwortlich zeichnet, eine große überdachte Bar zum Anlaufpunkt im Regen wird. Am nächsten Tisch stehen die Schotten von Saor Patrol und amüsieren sich, drüben wird ein Mann mit gaaaaanz langen Haaren als Sänger von Atrocity identifiziert, während ein Pfälzer Witze über den ausgeschenkten Rum-Cola macht: Wenn die Cola alle ist, einmal vom Boden schöpfen, sieht genauso aus... Und im Pressezelt geben die Scorpions ein vollbesetztes Interview. Fast alle Publikumsfragen kommen vom Familienbetrieb "Der Schleswiger", nach eigener Aussage die größte deutschsprachige tageszeitung in Dänemark: "Meine Mutti will wissen, wie ihr euch in eurem Alter immer noch so knackig haltet"...

 

Zurück im Metal Markt Zelt: Es gibt den Bondage-Künstler, der süffisant meint, er hätte auch mehr als seine zwei willigen Gespielinnen mitbringen können, aber das wäre ihm zu anstrengend geworden. Darüber lachen die als Securitys entspannt aushelfenden Motorrad-Rocker, die so gar nicht dem Medienimage der bösen Jungs gleichen. Hey, die kochen mir morgens sogar Tee! Dann gibt es noch den Haufen Händler, die zumeist seltene CDs und Schallplatten verkaufen, aber auch Bongs, T-Shirts, Aufnäher und allen möglichen anderen Kram. Einige von uns verbringen die letzte, nasse Nacht im sicheren Zelt, schlafen wenig, warten auf den Morgen, und hoffen, dass sie mit ihren Sprintern und Transportern aus der knietiefen Matsche wieder rauskommen werden. Einige werden am diesigen Sonntagmorgen die Hilfe von Traktoren mit Reifen in der Größe von Braunkohlebaggern benötigen, mein Kleinwagen wird mir dankbarerweise von einem Holländer bis zur Asphaltstraße gebracht. Nach vier Tagen in vorderster Reihe (aua, meine Füße!) und mittendrin bin ich beim Rausfahren auf einmal ein Mädchen, das Hilfe braucht. Und ganz melancholisch wird, als es raus aus dem Dorf ist, auf der Autobahn Richtung Hamburg: Von jeder Autobahnbrücke hängen riesige Banner, auf denen steht: Goodbye Metalheads - Drive carefully. Und auf den Brücken stehen Leute und winken und heben ihre Hand zur "Pommesgabel": \m/

 

Kein Witz, da schwimmen mir die Augen. Vor Rührung, Erschöpfung, Freude, und vielleicht auch bereits Vorfreude - denn da will ich wieder hin!   

 

Ach so - meine eigene Lesung? Etwa 15 Leute waren da, und die meisten haben sicher eher Schutz vor dem Regen gesucht, als extra zu mir gepilgert zu sein. Aber es war eine tolle Erfahrung, in diesem Umfeld, auf der Bühne mit Mikro zu sitzen, und mich zumindest nicht völlig zum Affen zu machen, sondern ganz einfach meinen winzigen Beitrag zu einem wahnsinnigen, aus allen Nähten platzenden Programm für die ganze Metalgemeinde und für jede Nische zu leisten. Meine Nische war klein, aber der Spaß den ich hatte, der Erfahrungsschatz und die Inspiration, die ich mitnehmen konnte, sind riesengroß! Und ein Volbeat-T-Shirt hab ich ebenfalls mitgebracht.    

 

Alle Bilder findet ihr auf Facebook: Teil 1 und Teil 2 ...und hier folgt auch noch eine Galerie, aber dazu muss ich wieder am heimischen Rechner sitzen, also erst nächste Woche... Zuerst geht es weiter zum M'era Luna nach Hildesheim. Bis bald, und immer schön

\m/           

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